Bürgermeister Jörg Reichl (links) und der ehemalige französische Außenminister und Vertraute von Francois Mitterrand, Hubert Védrine. Foto: Michael Wirkner

Gäste beim Festakt zu den Erinnerungen an François Mitterrand. Foto: Michael Wirkner

Hubert Védrine trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Rudolstadt ein. Foto: Michael Wirkner

Erinnerungen an François Mitterrands Aufenthalt in Schaala

Es war der 5. März 1981, der in die Stadtgeschichte eingehen sollte und dem kleinen Ortsteil Schaala viel Aufmerksamkeit brachte. Exakt 40 Jahre nach seiner Flucht aus dem Kriegsgefangenenlager Schaala, kam der damalige französische Präsidentschaftskandidat François Mitterrand an jenen Ort zurück, indem er im Herbst 1940 in der ehemaligen Porzellanfabrik Schaala interniert wurde.

Nun, fast weitere 40 Jahre später, traf Bürgermeister Jörg Reichl am selben Ort auf Mitterrands ehemaligen Außenminister und Vertrauten Hubert Védrine um vier Gedenktafeln einzuweihen, die an den Aufenthalt von François Mitterrand in Schaala erinnern sollen.

Bei einem kleinen Festakt wurde auf den Mann zurückgeschaut, der als Staatspräsident 14 Jahre Frankreich regierte und zu dessen Geschichtsverständnis sein Aufenthalt in Schaala beigetragen hatte.

Dabei kamen die Zeitzeugen Horst Fleischer, Ehrenbürger, Historiker und ehemaliger Museumsdirektor der Heidecksburg sowie Roland Hartmann, Kammersänger am Rudolstädter Theater, zu Wort, die auf den turbulenten Kurzbesuch Mitterrands von 1981 zurückblickten. Christophe Rosé als Mitterrand-Kenner und Direktor der Fondation François Mitterrand in Paris, las einige Zeilen aus dem Tagebuch Mitterrands aus der Schaalaer Zeit. Musiker und Schauspieler des Rudolstädter Theaters umrahmten die Veranstaltung kulturell. Weitere Gäste waren unter anderem Sylvie Massiere, Erste Botschaftsrätin der Französischen Botschaft und Marc Sagnol, Leiter des französischen Kulturbüros Thüringen.

Hubert Védrine dankte den Anwesenden für das Gedenken an seinen Chef, mit dem er gemeinsam vom Anfang bis zum Ende im Élysée-Palast arbeitete und sehr viel gemeinsame Lebenszeit mit Mitterrand verbrachte. Die Schaalaer Episode aus Mitterrands Leben ist ihm gut bekannt, denn Mitterrand hätte sie des Öfteren erzählt. Deshalb war es ihm wichtig diesen Ort einmal persönlich aufzusuchen. Védrine machte auch deutlich, dass Mitterrand trotz seiner Inhaftierung durch die Deutschen nie verächtlich auf Deutschland geblickt hätte, sondern immer im Sinne der Freundschaft  gehandelt habe. Deshalb solle Schaala kein Ort der Rückschau, sondern auch ein Ausblick auf die Zukunft sein, den verbindenden Geist der zwei Länder zu teilen.

Im Anschluss weihten Hubert Védrine und Bürgermeister Jörg Reichl die vier neuen Informationstafeln zum Aufenthalt Mitterrands in Schaala ein. Nach einem Rundgang durch den Ausstellungsraum des Heimatmuseums Schaala und einem Zwischenstopp in der Francois-Mitterrand-Allee, konnten die angesprochenen Themen bei einem Mittagessen im Garten des Schillerhauses vertieft werden. Dort verewigte sich Hubert Védrine auch in das Goldene Buch der Stadt Rudolstadt.

Das ehemalige Gefangenenlager in Schaala ist heute ein Mehrfamilienhaus, das der Familie Thielicke gehört. Im Erdgeschoss hat sie ein kleines Heimatmuseum eingerichtet. Dort können auf Anfrage und bei besonderen Anlässen die neuen Tafeln zum Aufenthalt Mitterrands und zum Haus als Kriegsgefangenenlager besichtigt werden. Entworfen wurden die Tafeln vom städtischen Gestalter Alexander Bernhardt und finanziert durch Fördergelder der Thüringer Staatskanzlei. Die nächste Gelegenheit zur Besichtigung ist am Sonntag, den 5. Juli, von 10 bis 17 Uhr.

François Mitterrand war 1940/41 mit etwa 200 weiteren Kriegsgefangenen einquartiert, welche vorwiegend Intellektuelle waren und vom Wachpersonal gut behandelt wurden. Eingesetzt wurde Mitterrand im Straßen- und Landschaftsbau. Unter anderem hatte er bei einem – heute unbekannten – Tischler den Auftrag Dachsparren anzufertigen. Da er sehr an der deutschen Geistes- und Kulturgeschichte interessiert war und sich wegen seiner Deutschkenntnisse gut mit dem Tischler verständigen konnte, zeigte ihm dieser die Rudolstädter Altstadt und das Schillerhaus. Dieses Verhältnis schien sehr gut gewesen zu sein, da er dieser Begegnung sogar eine Episode in seinen Memoiren widmete. François Mitterrand benötigte drei Fluchtversuche ehe er im Dezember 1941 in seine Heimat zurückkehren konnte.

Michael Wirkner
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit