Vortrag und Lesung am 1. September in der Stadtbibliothek
Warum die Deutschen? Warum die Juden? Diese beiden Fragen harren seit dem Holocaust einer Antwort. Götz Aly sucht sie. Er beschreibt die Modernisierungsscheu und die Freiheitsangst vieler christlicher Deutscher im 19. Jahrhundert. Er zeigt, wie sich im Gegensatz dazu, so viele deutsche Juden für das Stadtleben und für höhere Bildung begeisterten. Sie wussten die neuen Chancen zu nutzen. Trotz aller Widerstände trieben sie früh ihre Selbstemanzipation voran. Die verhemmten Nicht-Juden sahen ihnen mit Neid und Missgunst hinterher. Aus Schwäche erwuchsen die Sehnsucht nach kollektiver Stärke und nationaler Dünkel. Götz Aly ermöglicht es, den Holocaust als Teil der deutschen Geschichte zu verstehen.
Um 1900 machten jüdische Schüler achtmal häufiger Abitur als nichtjüdische, sie strömten in die freien Berufe, kamen als Angestellte oder Selbständige rasch voran, entdeckten die Künste und die modernen Wissenschaften für sich. Folglich verdienten viele deutlich mehr Geld als ihre christlichen Mitbürger. Diese trauerten der vorindustriellen Welt lange nach und betrachteten Wirtschaftsfreiheit und technischen Fortschritt als Bedrohung. Doch dann holten sie langsam auf – besonders rasch in der Weimarer Zeit. Von da an konkurrierten die vielen Deutschen mit den wenigen Juden – nur ein knappes Prozent der Bevölkerung – um Positionen und Prestige. Jetzt steigerte sich das Ressentiment zum Rassenhass. Götz Aly rückt das Entstehen des mörderischen Antisemitismus in das Kontinuum der deutschen Geschichte.
Die Lesung in der Stadtbibliothek Rudolstadt findet am 01. September 2011 um 19.00 Uhr statt.
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