Junges internationales Theater mit Überzeugungskraft

Von performativ über progressiv bis politisch Mit der Eigenproduktion "Sternbilder" des russischen Kazus Theater fand das Festival "Junge

Von performativ über progressiv bis politisch
Mit der Eigenproduktion "Sternbilder" des russischen Kazus Theater fand das Festival "Junges Theater Europa" am 10. Oktober seinen Abschluss. Neun Theatergruppen aus sieben Nationen mit rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern nahmen vom 7. bis 10. Oktober an dem Festival teil, das vom Bund Deutscher Amateurtheater e.V. in Zusammenarbeit mit dem ThüringerAmateurTheaterverband e.V. veranstaltet wurde. Zufrieden zeigte sich der Festivalleiter Frank Grünert am letzten Veranstaltungstag. Neben der Vielfalt der Darstellungsformen, die ein breites Spannungsfeld der internationalen Amateurtheaterszene widerspiegelten, standen für ihn vor allem der fachliche Austausch und der interkulturelle Dialog zwischen den teilnehmenden Gruppen und den Gästen im Vordergrund.
In ihrem Stück "Kinder des Herzens" demonstrierte die israelische Gruppe The Performing Arts Studio eindrucksvoll, dass die Menschheit im Begriff ist, sich durch Gewalt und kriegerische Auseinandersetzungen selbst zu zerstören. Ob das "zerbrochene Herz der Menschheit" vielleicht bei Google zu finden ist oder im Bermuda-Dreieck abhanden kam? In ihrer körperbetonten Inszenierung fanden die Israelis humorvolle und spitzfindige Antworten auf die Überlebensfrage der Menschheit. Aus den Niederlanden/Amsterdam war das Hoosh Theatre zu Gast. Vier Geburtstage bildeten den Rahmen für ein Stück, das sich den verschiedensten Lebensphasen vom Kind über den emotionalen Jugendlichen, die selbstzweifelnde Lebensmitte bis zum gebrechlichen Greisenalter beschäftigte. Auf absurde Weise thematisierte die Gruppe Estepatas aus Ogre/Lettland den Krieg und die hilflosen, pervers anmutenden Bemühungen, dem Alltag Normalität einzuhauchen. Ein üppiges Mahl bot den Rahmen für die überzeichneten, den Krieg karikierenden Charaktere in ihrem Stück "Picknick". Auf die Suche nach dem "Ich" begaben sich die deutschen Akteure der Theaterfabrik Gera. Ihr performatives, experimentelles Stück stellte essentielle Fragen, formulierte Erwartungen und Ängste. Dabei wurde metapherhaft mit Farben gespielt, die die Einzigartigkeit des Menschen visualisierten.
Kaputte Familienverhältnisse, gesellschaftliche Missstände, Drogen und Prostitution kennzeichnen die Geschichte über das erst 13-jährige deutsche Mädchen Christiane F. Mit dem sprachbetonten Stück "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", das von englischen Untertiteln unterstützt wurde, zeigten die Darsteller des Studio Center aus Belgrad/Serbien den Teufelskreis, der das Leben junger Menschen ins Ausweglose führen kann. Aus Marburg/Deutschland war die Theatergruppe Nachtsicht zu Gast. Mit ihrem Stück "Blickfang" gab die Gruppe, die sich aus blinden und sehbehinderten Jugendlichen zusammensetzt, den Sehenden Einblick in ihre Welt.
Einfühlsam und mit vielfältigen theatralen Mitteln, von der Lichtgestaltung über Computerprojektionen bis zum Einsatz der Musik sensibilisierte das Stück auf intensive, zugleich ernsthafte wie auch humorvolle Weise für einen offenen und toleranten Umgang mit Blinden.
Theater für die Kleinsten hatte das New Experience Theatre aus dem Iran im Gepäck. In ihrer Produktion "Ich kann nicht, wir können" nahmen die drei erwachsenen Akteure die Kinderperspektive ein und forderten das Publikum dazu auf, sich lustvoll auf ihr Spiel einzulassen. Farbenfrohe Bilder voller Fantasie setzte die Gruppe PIANO aus Nischnij Nowgorod/Russland in Szene. Mit ihrem Stück "Flügel für Clowns" nahmen die gehörlosen Kinder die Zuschauer mit auf eine poetische Reise, bei der sie immer wieder das Publikum interaktiv einbezogen.
Zahlreiche Möglichkeiten der Begegnung und des Dialogs bot auch das Rahmenprogramm mit Workshops, Fachgesprächen sowie Besichtigungs- und Freizeitangeboten in und rund um Rudolstadt.