Tobias Zober (r.) erläutert Bürgermeister Jörg Reichl die Besonderheiten der Leichenpredigten. Foto: Michael Wirkner

Eine besonders schmuckvolle Ausgabe der Leichenpredigten. Foto: Michael Wirkner

Schätze des Vergänglichen: Restaurierung einzigartiger Leichenpredigten in Rudolstadt abgeschlossen

Die Historische Bibliothek im Alten Rathaus bewahrt mit ihrer Sammlung an Leichenpredigten ein kostbares Kulturgut. Dank umfangreicher Restaurierungsmaßnahmen bleiben diese wertvollen historischen Dokumente für Forschung und Nachwelt erhalten.

Neben anderen wertvollen Büchern und Aktenbeständen beherbergt das Alte Rathaus auch eine Sammlung, deren Name auf den ersten Blick etwas morbide oder makaber anmuten mag. Es handelt sich um den Bestand an Leichenpredigten, die hier in meist schwarzen Einbänden im Schauraum der Historischen Bibliothek Rudolstadt aufbewahrt werden. Dank einer Kofinanzierung der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts, kurz KEK, und der Thüringer Staatskanzlei konnten jetzt 23 Bände dieser wertvollen Bücher restauriert werden. Knapp 22.000 Euro hat das Projekt gekostet. Davon hat der Bund, also die KEK, 50 Prozent, genauer gesagt 10.890 Euro, übernommen. Weitere 8.890 Euro flossen von der Thüringer Staatskanzlei in das Projekt und 2.000 Euro kamen aus dem Haushalt der Stadt. Mit dem Geld wurden die Bücher gesäubert, Risse geschlossen, Seiten geglättet, Fehlstellen ergänzt und Einbände aufgearbeitet. Für einige der 23 Bände wurden Schutzkassetten angefertigt.

Leichenpredigten sind eine wichtige Quelle für viele wissenschaftliche Disziplinen. Neben der namensgebenden Predigt, die anlässlich der Bestattung des Verstorbenen gehalten wurde, enthält diese meist nur wenige Seiten umfassende Quellengattung auch den Lebenslauf des Verstorbenen. Vor allem für Personen des niederen Adels oder des Bürgertums sind diese sogenannten „Personalia“ oft die einzige Quelle zum Leben des Verstorbenen. Je nach gesellschaftlichem Stand und Geldbeutel umfassten die Leichenpredigten, die vor allem im protestantischen Raum in der Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert verfasst wurden, auch Kantaten teils mit Noten oder sogenannte Epicedien, lateinische Trauergedichte, die von Freunden des Toten oder auch professionellen Dichtern verfasst wurden.

„Leichenpredigten sind also nicht nur für Historiker interessant, sondern auch für Demographen, Sozialwissenschaftler oder Altphilologen, Musikwissenschaftler und natürlich Theologen.“ sagt Tobias Zober, Leiter der Historischen Bibliothek. „Aber auch Personen, die ihre eigene Familiengeschichte erforschen, wenden sich immer wieder an uns. Denn viele Leichenpredigten, die sich auf Verstorbene aus unserer Gegend beziehen, sind nur noch hier zu finden. Die Seltenheit der erhaltenen Leichenpredigten und der Umfang der Sammlung machen sie für unsere Region so einzigartig und schützenswert.  Tatsächlich ist unsere Leichenpredigtensammlung der am häufigsten nachgefragte Bestand der Historischen Bibliothek. Wir sind daher sehr dankbar, dass uns sowohl die KEK als auch die Thüringer Staatskanzlei bei der Restaurierung so großzügig unterstützt haben“, so Zober weiter.