Jan Mende erklärt die Pflanzen im Pflanzenerker des Museums Knoblauchhaus, prominent im Bild ein Gummibaum und Kakteen. Foto: Christian Hofmann

Phänomen Stubengärtnern

Wie die Pflanzen die Innenräume erobern

Welche erstaunlichen Blumeninnenräume das 19. Jahrhundert hervorbrachte, zeigte und erläuterte Dr. Jan Mende, Kurator des Knoblauchhauses Berlin, am Donnerstagabend im Schillerhaus. Ein regelrechter Pflanzenboom breitete sich in den bürgerlichen Wohnungen der Stadtbevölkerung aus. Vermutlich auch bei Familie Schiller, der mit seinen knalligen Zimmertapeten, ein absoluter Trendsetter der Zeit war, so Mende in seinem Vortrag. Anders als Goethe verfolgte Schiller wahrscheinlich kein botanisches Interesse an dem neuen Zimmergrün, eher war es für ihn Dekoration. Zimmerlinden, Yuccaplamen, Hyazinthen und später auch Gummibäume bevölkerten die Wohnstuben. So holte man sich die Natur nach drinnen und wollte der aufkommenden Entfremdung zwischen Mensch und Natur etwas entgegenhalten. So kam es vor, dass man seine Zimmerpflanzen im Tagesverlauf mehrmals verrückte, damit sie die ideale Sonneneinstrahlung erhalten. In den Palästen des Adels und des aufkommenden Industriebürgertums nahm dies überwuchernde Ausmaße an, dass selbst Kronleuchter mit Pflanzen bestückt wurden. Bei Familie Lengefeld war man bescheidener, wie die kleinen Blumenbänke im heutigen Schillerhaus zeigen. Es ist die Zeit, wo die Fensterbretter breiter wurden und in den Salons war das Botanisieren ein neues Thema, wie eine Überfülle an Ratgeberliteratur zeigt. Gegen 1830 nimmt dieser Trend, Pflanzenratgeber zu lesen, wieder ab. Dafür etabliert sich der Fachbereich immer mehr und das heimische botanische Interesse verschiebt sich zu reiner Dekoration, so ist es wohl für die Meisten ist heute.