Der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt und die Stadt Rudolstadt trauern um den langjährigen Kustos am Thüringer Landesmuseum Heidecksburg, Verleger und Kämpfer für die Kultur in seiner Heimatstadt Rudolstadt, Jens Henkel. Der 72-Jährige ist am Donnerstag, 7. August 2025, nach langer schwerer Krankheit verstorben. „Wir haben einen klugen Kopf und eine gewichtige Stimme für die Kultur verloren“, sagte Landrat Marko Wolfram. „Unser Mitgefühl gehört in diesen Stunden seiner Frau Renate und seiner Familie. Wir werden Jens Henkel in bleibender Erinnerung behalten und sein Andenken wahren“, so der Landrat.
Der gebürtige Rudolstädter war über Jahrzehnte in herausragendem Maße im kulturellen Bereich aktiv und hat im politischen Ehrenamt im Stadtrat der Stadt Rudolstadt Anfang der 1990er Jahre wichtige Weichenstellungen für die kulturelle Entwicklung vorgenommen. Beinahe ein halbes Jahrhundert – von 1971 bis 2018 – bildete seine hauptberufliche Tätigkeit im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt das Fundament für sein vielseitiges Wirken. Zunächst als Praktikant, dann als Mitarbeiter und später als Kustos und stellvertretender Direktor prägte er die Stadt Rudolstadt und das Museumsquartier sowie die weiteren Standorte des Museums in Bad Blankenburg, Paulinzella und Schwarzburg weit über seine beruflichen Aufgaben hinaus. Als Wegbegleiter würdigte der Rudolstädter Ehrenbürger und langjährige Museumsdirektor Horst Fleischer Henkels Verdienste. „Jens Henkel war einer der fähigsten und effektivsten Museologen Thüringens, dessen Bedeutung weit über Rudolstadt hinaus geht. Er wurde national und international dafür geschätzt, dass er immer junge Künstlerinnen und Künstler gefördert hat.“
1. Stadtrat und Vorsitzender des Kultur- und Sozialausschusses
Nach der politischen Wende im Jahr 1989 kandidierte Jens Henkel als Stadtrat auf der Liste SPD/Neues Forum und wurde aufgrund seines großen Bekanntheitsgrades, seiner visionären Ideen, aber auch aufgrund seiner Bodenständigkeit und der Verwurzelung in seiner Heimatstadt gewählt und wurde Mitglied des Hauptausschusses und Vorsitzender des Kultur- und Sozialausschusses. In dieser Funktion legte er in der ersten Legislaturperiode von 1990 bis 1994 den Grundstein für wesentliche Entwicklungen der Stadt. Es ist ihm zu verdanken, dass Straßenumbenennungen sensibel und mit Augenmaß vorgenommen worden sind. Er ist zu großen Teilen verantwortlich dafür, dass sich aus den Tanzfesten der DDR ab 1991 das Tanz- und Folkfest (heute Rudolstadt-Festival) erfolgreich zum größten Weltmusikfestival Europas entwickeln konnte. Darüber hinaus ist ihm in vielen Fällen zu verdanken, dass historische Bausubstanz nicht dem Abriss zum Opfer fiel, sondern feinfühlig saniert wurde. „Ich bin zutiefst dankbar für das, was Jens Henkel für die Stadt Rudolstadt getan hat. Man kann seinen Einsatz für die Stadt auf kommunalpolitischer Ebene und vor allem für die Kultur nicht genug würdigen. Wie er persönlich und seine Familie in den vergangenen sieben Jahren mit der schweren Krankheit umgegangen sind, verdient große Anerkennung und Respekt“, sagte Rudolstadts Bürgermeister Jörg Reichl.
2. Künstler in Thüringen
Jens Henkel konzipierte und realisierte eine Reihe von hochwertigen Büchern (zwischen 120 und 250 Seiten mit Pappband und Schutzumschlag) „Künstler in Thüringen“ und widmete sich damit dem zeitgenössischen Kunstschaffen in Thüringen, wie es vorher noch nicht und nachher nicht wieder geschehen ist. Jeder Titel enthält ein Werkverzeichnis des betreffenden Künstlers. Die Bände erschienen anlässlich der jeweiligen Personalausstellungen im Museum Heidecksburg, in der Kunsthalle Erfurt und im Schlossmuseum Sondershausen. Mit der Schriftenreihe lieferte Jens Henkel im Laufe einer Dekade eine thüringenweit bedeutsame Dokumentation über zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die weit über die anlassgebenden Ausstellungen und den Rahmen des Landesmuseums hinausgeht.
3. burgart-presse
Von 1991 bis 2020 erschienen im von Jens Henkel 1990 gegründeten kleinen Verlag 49 Pressendrucke, 8 bibliophile Drucke und 27 weitere Druckerzeugnisse in limitierten Auflagen. Es entstanden Künstlerbücher und bibliophile Kostbarkeiten, die gemeinsam mit bedeutenden bildenden Künstlern, wie Alfred Traugott Mörstedt, Steffen Volmer, Moritz Götze, Max Thalmann und mit Schriftstellern wie Walter Jens, Adolf Endler, Christa Wolf, Kerstin Hensel u. a. entstanden. Das 20-jährige Bestehen des Verlages wurde in der Thüringer Landesvertretung in Berlin gewürdigt und vom Thüringer Literaturrat und der Literarischen Gesellschaft Thüringen unterstützt. Ein Großteil der Verlagsunterlagen wurde in den vergangenen Jahren als Vorlass der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar übergeben, die schon seit Jahrzehnten regelmäßig die originalgrafischen Künstlerbücher erworben hatte.
4. Rococo en minature
Die Ausstellung im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg präsentiert das Lebenswerk von Gerhard Bätz und Manfred Kiedorf. Inspiriert von der prunkvollen Hofkultur der Barock und Rococo entstanden im Laufe von über 50 Jahren die Fantasiereiche der „Schlösser der gepriesenen Insel“.
Seit 2007 wird die Dauerausstellung „Rococo en miniature“ im Schloss Heidecksburg in Rudolstadt präsentiert und ist 2018 nochmals erweitert worden. Dass es gelungen ist, diese Ausstellung nach Rudolstadt zu holen, ist dem Spürsinn, dem Weitblick und der Idee für ein tragfähiges Finanzierungskonzept von Jens Henkel zu verdanken, denn namhafte andere Häuser haben sich ebenfalls dafür interessiert. Die Ausstellung ist seitdem ein wahrer Besuchermagnet und hat zur überregionalen Bekanntheit des Landesmuseums erheblich beigetragen. Als Ausdruck des anhaltenden Interesses wird demnächst der 500.000 Besucher in dieser besonderen Ausstellung erwartet.
5. Ausstellungskonzept Schillerhaus Rudolstadt
In den 1990er Jahren schenkte eine nicht genannt sein wollende Dame der Stadt Rudolstadt das Haus, in dem sich Schiller und Goethe das erste Mal trafen. Da Schiller eine sehr glückliche Zeit in Rudolstadt verbrachte und hier in diesem Haus seine spätere Frau Charlotte kennenlernte, entschied die Stadt Rudolstadt, das Haus in den Jahren 2005 bis 2009 zum Museum umzubauen. Am 9. Mai 2009, dem 204. Todestag Schillers wurde das Haus eröffnet. Die Konzeption für die Dauerausstellung hatte in den Jahren zuvor federführend Jens Henkel gemeinsam mit einem Expertenteam erarbeitet. Durch seine Kontakte zum Schiller-Nationalmuseum und zum Deutschen Literaturarchiv Marbach ist es gelungen, originale Exponate aus der Zeit Schillers in Rudolstadt hier in seiner Heimatstadt zu zeigen.
6. Fürstliche Erlebniswelten Schloss Schwarzburg
Mehr als zehn Jahre kämpften der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, das Thüringer Landesmuseum Heidecksburg, die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, der Förderverein Schloss Schwarzburg (Denkort der Demokratie) und zahlreiche weitere Mitstreiter für die Rettung des Zeughauses auf Schloss Schwarzburg und die Restaurierung und Rückkehr der Fürstlichen Waffensammlung an ihren originalen Präsentationsort. Jens Henkel war die zentrale Persönlichkeit dieser Bemühungen, bei der zahlreiche Prozesse und Vorgänge zusammenliefen, die die glanzvolle Eröffnung der „Fürstlichen Erlebniswelten Schloss Schwarzburg im Mai 2018 ermöglichten.
Kurz nach der Eröffnung 2018 trat Jens Henkel in den Ruhestand ein, wenige Wochen später ereilte ihn ein schwerer Schicksalsschlag. Er erlitt einen Herzinfarkt, wurde mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus transportiert. Seit September 2018 lebte Jens Henkel mit einem Kunstherz und war in seiner körperlichen Kraft stark eingeschränkt, hat aber nichts von seiner intellektuellen Leistungsfähigkeit verloren. Die wenigen Stunden pro Tag, die er arbeiten konnte, widmete er sich weiter Projekten für seine Stadt Rudolstadt.
7. Galeriebeirat
Im Jahr 2013 musste die Stadt Rudolstadt den Betrieb der städtischen Galerie „KulTourDiele“ aus Kostengründen aufgeben. Da die Galerie ein beliebter Ausstellungsort für ca. sechs bis sieben kleine Ausstellungen pro Jahr war, wollte die Öffentlichkeit die Schließung nicht hinnehmen. Der Theaterförderverein als größter Kulturverein der Stadt Rudolstadt übernahm ab 2014 die Betreibung und hat seither mehr als 50 Ausstellungen organisiert. Da es kein festes Personal dafür gibt, berief der Verein einen Galeriebeirat, der Ideen für Ausstellungen entwickelt und Menschen findet, die sich für die Vorbereitung und Durchführung sowie für die Öffentlichkeitsarbeit einzelner Ausstellungen verantwortlich erklären. Jens Henkel steht diesem Galeriebeirat vor und erklärt sich in jedem Jahr auch bereit, 1 bis 2 Ausstellungen eigenverantwortlich zu betreuen.
8. Rudolstädter Schriften
Vor Eintritt in den Ruhestand hatte Jens Henkel der Stadt Rudolstadt versprochen, künftig regionalgeschichtliche Themen, die noch nicht ausreichend erforscht und beleuchtet sind, aber eine gewisse Strahlkraft über die Stadt hinaus haben, aufzuarbeiten. Dieses Versprechen hat er trotz seiner schweren Krankheit und seiner gesundheitlichen Einschränkungen eingelöst.
Im Jahr 2020 erschien Band 1 der Rudolstädter Schriften. Es handelt sich um eigenständige Bücher mit 120 bis ca. 200 Seiten in ansprechender Gestaltung, die auch über den Buchhandel vertrieben werden. Er entwickelte gemeinsam mit der Stadt Rudolstadt die Themen, koordinierte die Arbeit der Autoren sowie die Gestaltung und den Druck. Bisher sind acht Bände zu Themen, bei denen die Stadt Rudolstadt über die Stadtgrenzen hinaus wirkt, erschienen. Sein Ziel war es, zehn Bände vorzulegen. „Es ist unser Vermächtnis als Stadt Rudolstadt, die beiden noch geplanten Bände herauszubringen. Als stiller Beobachter wird Jens Henkel diesen Prozess begleiten“, sagte Petra Rottschalk, Fachdienstleiterin für Kultur.
Jens Henkel war eine Persönlichkeit, die sich seit mehreren Jahrzehnten in der Kultur in ihrer Heimatstadt Rudolstadt und darüber hinaus herausragend engagiert und mit ihrem Wirken das kulturelle Leben in unserem Landkreis überaus positiv gestaltet hat. Sein ausgeprägtes ästhetisches Empfinden zusammen mit seinem fundierten Fachwissen spiegelt sich in den Ausstellungen im Schillerhaus Rudolstadt, in den Thüringer Bauernhäusern, im Fröbelmuseum Bad Blankenburg, im Museum für Jagd-, Forst- und Klostergeschichte Paulinzella und – am glanzvollsten – in den Fürstlichen Erlebniswelten Schloss Schwarzburg wieder. Für sein Lebenswerk wurde Jens Henkel am 21. Juni 2023 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die Verleihung nahm der damalige Ministerpräsident Bodo Ramelow vor.
Jens Henkel hinterlässt seine Frau Renate und zwei erwachsene Söhne.