"Unzucht in der Schillerstraße"

Zentrale Eröffnung des "3. Thüringer Tags der Literatur"  in Rudolstadt Manches ist neu, manches orientiert sich am Tag der Thü

Zentrale Eröffnung des "3. Thüringer Tags der Literatur"  in Rudolstadt
Manches ist neu, manches orientiert sich am Tag der Thüringer Literatur in den Vorjahren. Neu ist diesmal eine zentrale Veranstaltung im Rudolstädter Schillerhaus am Vormittag des 27. März. Da das Datum 2010 mit dem Welttheatertag zusammenfällt, wird auch darauf Bezug genommen.
Unter dem Titel "Becher und Zech in der Schillerstraße" geht es um die ersten, sehr produktiven und widersprüchlichen Jahre des Greifenverlages.
Im August 1921 zog der Verlag mit seinem Verleger Karl Dietz aus Hartenstein im Erzgebirge, wo er von der Wandervogelbewegung gegründet worden war, nach Rudolstadt in die Schillerstraße 41. Im ersten Stock lagen die Verlagsräume. Hausbesitzer war der Journalist Schweder, der mit Dietz zusammenzuarbeiten gedachte. Bald schon kam es aber zu Diskrepanzen zwischen Vermieter und Verleger, so wurde fleißig die Wasserfrage diskutiert: Dürfen Verlagsmitarbeiter den Wasserhahn im Haus für Kaffeewasser nutzen? Im Jahr 1926, am 1. September zog der Verlag auf die Heidecksburg.
Ungeachtet dessen waren diese ersten sechs Rudolstädter Jahre die fruchtbarsten im Verlags-Leben. So wurde Johannes R. Bechers wichtiger Gedichtband "Ein Mensch unserer Zeit" vorbereitet – er erschien dann 1929, als der Verlag seine Tätigkeit bereits weitgehend eingestellt hatte. Auch zwei Bücher von Paul Zech brachte man bereits 1924 heraus. Darüber hinaus erschienen die ersten sieben "Greifenkalender" hrsg. von Willi Geißler, bemerkenswerte Text-Grafik-Sammlungen. Für die politische Divergenz des Verlages in jenen Jahren mögen die Namen Paul Schultze-Naumburg, E.G. Kolbenheyer, Karl Grünberg mit "Brennende Ruhr" und Max Hodann mit "Bub und Mädel" stehen. Letzteres zog ein weiteres Buch nach sich: "Unzucht! Unzucht! Herr Staatsanwalt – Zur Naturgeschichte des deutschen Schamgefühls", mit Texten von Dietz, Hodann und Erich Weinert.
Der Verlag engagierte sich auch für Theater und für ortsansässige Autoren. "Körper und Tanz", "Kammerlieder" oder "Die Wiedergeburt der Bühne" zeugen davon. Fastnachts- und Weihnachtsspiele wurden gedruckt, ebenso wie das "Jahrbuch der Musikantengilde" oder eine Festschrift zu Pfingsten 1926 über die "Deutschen Musikabende und Historischen Musikfeste in Rudolstadt von Ernst Wollong."
Das literarisch-musikalisches Programm mit Künstlern des Theaters Rudolstadt soll eine gute Stunde dauern. Der Schriftsteller Matthias Biskupek moderiert und bietet Unbekanntes zum lokalen Hintergrund. Interessenten sind herzlich willkommen; der Eintritt ist frei.