Johanna Fischer mit der "Kulturnadel des Freistaats Thüringen" geehrt.

Johanna Fischer mit der "Kulturnadel des Freistaats Thüringen" geehrt.

Johanna Fischer mit der "Kulturnadel des Freistaats Thüringen" geehrt

Die Rudolstädterin Johanna Fischer, Leiterin der Kunstwerkstatt,  wurde am Mittwoch im Rahmen einer Feierstunde in Erfurt für ihr langjähriges kulturelles E

Die Rudolstädterin Johanna Fischer, Leiterin der Kunstwerkstatt,  wurde am Mittwoch im Rahmen einer Feierstunde in Erfurt für ihr langjähriges kulturelles Engagement mit der "Kulturnadel des Freistaates Thüringen" geehrt.  Der Vorschlag für diese zum vierten Mal vergebene Auszeichnung wurde wie folgt begründet:

An der Kunstwerkstatt kommt man in Rudolstadt nicht vorbei. Gleich aus welcher Himmelsrichtung man sich der Residenzstadt im Saaletal nähert, es grüßen die Büsten berühmter Rudolstädter an den Eingängen zur Innenstadt. Diese "Säulenheiligen von Rudolstadt" sind das Ergebnis eines Projekts der Kunstwerkstatt Rudolstadt vor nunmehr schon einem Dutzend Jahren und längst nicht die einzigen Spuren dieses als Jugendkunstschule anerkannten Vereins, die die Stadt und die Region gestalten. Ohne die Initiative von Johanna Fischer wären sie nicht entstanden.

Die gebürtige Rudolstädterin und diplomierte Kunsterzieherin gründete den Verein "Kunstwerkstatt Rudolstadt e. V." 1998 und leitet ihn seither ehrenamtlich als Vorsitzende, als Ideengeberin und Kursanbieterin. Von Anfang an versteht sich der Verein als Ergänzung zum schulischen Angebot im Kunstunterricht, und von Anfang an waren und sind die Kinder- und Jugendkurse gut nachgefragt und ausgebucht. Dass inzwischen längst ebenso beliebte Erwachsenenkurse dazugekommen sind, liegt nicht zuletzt am Berufsverständnis von Johanna Fischer: Sie ist Kunsterzieherin aus Leidenschaft. Dabei will sie weder Kunst noch Künstler erziehen, sie ist vielmehr Künstlerin und Erzieherin im Sinne von Anstifterin und Netzwerkerin.

Denn die Kunstwerkstatt fördert einerseits künstlerisches Talent und besondere Ideen, vermittelt aber auch das Handwerkszeug dazu, um ausdrucksfähig zu werden. Da werden in den Kursen verschiedene Materialien in unterschiedlichen Techniken bearbeitet, da erhalten Jugendliche Unterstützung in Vorbereitung auf ein Kunststudium, da geht es um kontinuierliche Beschäftigung mit künstlerischen Themen, da werden Phantasie und Vorstellungskraft gefördert und der Gedanke gemeinschaftlicher Kreativität gepflegt. Diese Jugendkunstschule bietet solide Ausbildung in Theorie und Techniken, sie schult genauso den kreativen Geist und die Lust an schöpferischem Gedankenspiel in bester Manier früherer Künstlervereinigungen. Kunst kann jeder, wenn er lernt, im Alltäglichen das Besondere zu entdecken, und wenn er das richtige Rüstzeug zum Ausdruck bei der Hand hat – das ist Johanna Fischers Überzeugung. Sie bringt es auf den kurzen Nenner: "Schau hin – da liegt doch die ganze Welt drin!"

Zu den regelmäßigen Kursen zu festen Zeiten – derzeit sind es acht pro Woche – kommen thematisch ausgerichtete Wochenend- und Ferienseminare sowie Projekte als zwei weitere Säulen der Kunstwerkstatt. Dabei ist es Johanna Fischer immer wichtig, die Stadt und die Region einzubeziehen. So wurden bei dem eingangs erwähnten Projekt der Büsten berühmter Rudolstädter die Bürger der Stadt gefragt: "Sind Sie für Goethe oder für Fröbel?" Sie konnten sich für zwölf von 24 Persönlichkeiten entscheiden, deren Stelen in den Kunstkursen entworfen und schließlich in Zusammenarbeit mit einer Bildhauerin und Keramikerin gefertigt wurden.

Die Kunstwerkstatt gibt es immer nur in der Mehrzahl. Johanna Fischer und weitere Kursleiter fördern wohl jeden Einzelnen, zeigen ihm mögliche Kunstwege auf, aber die Kreativität entsteht im Austausch, wird eingebracht in die Gemeinschaft, wirkt auf die Kunstwerkstatt zurück und dadurch weiter.

Zusammen hieß auch eine Ausstellung der Kunstwerkstatt, die im Jahr 2002 im Saalfelder Stadtmuseum veranstaltet wurde, denn längst ist der Verein in die Region gegangen. Die Kursteilnehmer kommen aus dem ganzen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt und von weiter her. Außerdem betreibt die Kunstwerkstatt neben ihrem Domizil in der "Alten Wache" auf der Heidecksburg ein weiteres Atelier in Weischwitz, einem Dorf bei Saalfeld, unter Leitung der Bildhauerin Sylvia Bohlen.

Zusammen war nicht nur der Titel der Ausstellung, sondern bezeichnet bis heute das Schaffensprinzip unter dem Kürzel KW für Kunstwerkstatt. Zur KW gehören viele, die wie Johanna Fischer für sich als Künstlerinnen und Künstler bestehen können und die durch sie als große Zusammenführerin zu einem dichten Kunstnetzwerk verbunden werden. Die KW – ein Verein, der vereint.

Bestes Beispiel dafür: Die Context-Ausstellungen seit 2001 – vier wurden es schließlich.
Context wollte mehr sein als ein Rückblick auf die Kurse und Seminare eines KW-Jahrs.  Context wollte Räume aufstoßen, die so noch nicht gesehen wurden, und nutzte dazu als Ausstellungsorte leer stehende Immobilien wie die Säulensäle und das Schallhaus der Heidecksburg, das Schillerhaus, als es noch kein Museum war, und Gartenprojekte. Context zeigte zugleich Kunst, wie sie so noch nicht gesehen wurde, von Schülern, Lehrern und Absolventen.

Den Rudolstädtern ihre Heimat ganz anders und dadurch neu zu zeigen, war auch das Anliegen des Projekts Schillernde Fassaden, das vor zehn Jahren leer stehende Häuser als Kunstprojektionsflächen nutzte. Wieder arbeiteten Profis, Kunstkurskinder und sogar Schulklassen gemeinsam an der Gestaltung der Fassaden, die sich zum Teil bis heute so erhalten haben.

Ungenutzte Geschäfte in der Innenstadt nahm Johanna Fischer zum Anlass, im Sinne der Trade School einen Tauschhandel zu organisieren. Eine Herbstdekade lang konnte jeder, der eine besondere Idee, Fähigkeit oder Geschichte hatte, diese anbieten und sich im Tausch von den Nutzern eine Gefälligkeit wünschen. Allein die organisatorischen Vorarbeiten, um Eigentümer zu überzeugen, die Genehmigungen zu erhalten und die Termine der verschiedenen Anbieter zu koordinieren, waren eine Sisyphosarbeit für Johanna Fischer.

Ähnlich aufwendig ist für die Vereinsvorsitzende immer wieder die Beschaffung von Fördergeldern. 2007, als die Finanzierung der KW mal wieder auf der Kippe stand, hatte sie die Idee für das KW-Maskottchen, das Kawel. Kunstkurskinder schufen liebevoll gestaltete Kamele, die Kawele, die dann gegen Spenden bei Unterstützern "in Pension" gegeben wurden.

Ein Beispiel für weitere überregionale Zusammenhänge war auch der Thüringer Tag der Jugendkunstschulen 2004 in Rudolstadt. Die Kunstwerkstatt als Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft und Johanna Fischer waren Gastgeber. Auch bei anderen Projekten arbeitet die KW mit anderen Jugendkunstschulen zusammen, beispielsweise bei "Schiller bewegt", einer theatralen Busreise durch die vier Schillerstädte Thüringens, Rudolstadt, Weimar, Jena und Meiningen, vor drei Jahren.

Gerne knüpft Johanna Fischer ebenfalls Kontakte zu anderen Kulturanbietern der Region, beispielsweise dem Theater Rudolstadt und dem Thüringer Staatsarchiv. Dann entstehen daraus Projekte, die die bewahrende Funktion von Kunst thematisieren oder Schiller entlocken und Schiller liebt heißen. Etliche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen der KW-Eleven in der Region kommen dazu.

Schließlich muss noch erwähnt werden, dass die KW-Angebote, meist von Johanna Fischer initiiert, nicht nur identitätsstiftend für die Menschen hier wirken, sondern auch die Absolventen für ihre Heimat begeistern. Eine ehemalige Design-Studentin betreibt nun ihre eigene Firma in Rudolstadt und engagiert sich wiederum als KW-Kursleiterin. Andere Absolventen, die inzwischen verschiedene Kunstrichtungen studieren, kommen mit Projekten zurück in ihre Vaterstadt.

Die Kunstwerkstatt verbindet Generationen genauso wie Kulturen. Als in Rudolstadt eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge eingerichtet wurde, ging Johanna Fischer mit KW-Mitstreitern dorthin und gestaltete zusammen mit den Bewohnern Kunstwerke zum Schmuck der Flure und Zimmer. Und dass Kunst nicht an Grenzen halt macht, beweist Johanna Fischer mindestens einmal im Monat, wenn sie in Saalfeld Kinder aus der dortigen Gemeinschaftsunterkunft und deutsche Mädchen und Jungen zum gemeinsamen kreativen Tun einlädt.

Trotz all dieser Aktivitäten wirkt Johanna Fischer selbst als Künstlerin: Sie druckt Madonnen, aquarelliert südliche Landschaften, lässt in ihren Grafiken Olivenbäume und Weinstöcke tanzen. Seit sie vor drei Jahren aus dem Schuldienst ausschied, hat sie auch mehr Zeit, mit ihrer mobilen Druckwerkstatt, einem umgebauten uralten Wohnwagen, in die Natur zu ziehen. Dabei lässt sie sich gern über die Schulter schauen oder animiert Neugierige zum Mitmachen.

Denn: Kunst für alle, das ist ihr schlichter, gleichwohl hoher Anspruch. Und deshalb ist die Kunstwerkstatt kein elitärer, sich selbst genügender  Zirkel, denn im Unterschied zum sprichwörtlichen Elfenbeinturm stehen die Ateliertüren weit offen für alle Menschen aller Generationen. Hier kann sich jede und jeder einbringen, etwas leisten für den Verein, mit Gewinn für sich wie für die anderen. Das prägt Lebensart und gibt Heimat, weit über Rudolstadt hinaus.

Johanna Fischer ist dabei nicht nur wichtige Ideengeberin, sie ist vor allem Ideenverwirklicherin. Sie steht auf dem Adventsmarkt und bietet Kunst an, sie steht vor den Türen potentieller Förderer und putzt Klinken, sie steht in Verbindung zu anderen Vereinen und Projekten, um der Kunstwerkstatt Zukunft zu sichern. Und sie verteilt Aufgaben und Verantwortung so, dass Mittun zu aller Freude wird. Dabei wird oft übersehen, dass dieses Prinzip wohl die meiste Arbeit macht. Natürlich ehrenamtlich mit bürgerschaftlich engagierter Begeisterung. Deshalb kommt man in Rudolstadt nicht an der Kunstwerkstatt vorbei, und die Säulenheiligen werden nicht alleine bleiben.