Foto: Alexander Stemplewitz

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Aufhören, wenn's am heißesten ist

Monatelange Vorbereitungen, Wochen der Vorfreude. Eine erlösende Salve Böllerschüsse eröffnet das große Fest. Nun ist das 294. Rudolstädter Vogelschi

Monatelange Vorbereitungen, Wochen der Vorfreude. Eine erlösende Salve Böllerschüsse eröffnet das große Fest. Nun ist das 294. Rudolstädter Vogelschießen Geschichte. Ein Rückblick auf zehn warme Tage.

Unzählige Lieder besingen Abschied und Vergänglichkeit. Mit Frank Sinatras "My Way" schlossen die Damen des Travestie-Cabarets "Tingeltangel" den letzten Festabend auf der Bleichwiese vor dem "Break Dance" würdig und frohsinnig zugleich ab. Am Sonntagvormittag ging es mit dem gutbesuchten Festgottesdienst unterm Dach des Autoscooters zunächst besinnlich in den letzten Tag. Ihn leitete Rudolstadts evangelischer Pfarrer Gisbert Stecher gemeinsam mit Schaustellerpastor Conrad Herold, die in ihren Predigten den Wert von Tradition und ihrer Pflege betonten. Besonders die "umsichtige und liebevolle Organisation durch die Stadt" sei ein großes Glück, so die Geistlichen. Gemeint war das Organisationsteam um Frank Grünert, das die verlängerte Festwoche vorher im Rathaus geplant und währenddessen vom Festbüro aus betreut hat. "Insgesamt sind wir wieder zufrieden mit dem Verlauf", fasst Grünert zusammen, "es passt schon". Der Nachtrag deswegen: Im Vergleich zu den Vorjahren sei schon eine geringfügig niedrigere Besucherzahl zu konstatieren. Das Ende der Schulferien, teils drückende Wärme, die erst nach Sonnenuntergang nachließ, sicher auch die hässlichen Falschmeldungen über Anschlagspläne seitens Asylbewerbern - all dies mag zur leichten Flaute beigetragen haben. Mit konkreten Besucherzahlen oder Einnahmen arbeitet Grünert nicht gerne, freut sich mehr über den letzten Freitag und Samstag, die noch einmal super gelaufen seien, über die friedliche Stimmung des Festes, das harmonische Nebeneinander der Generationen und Herkünfte. Nur so viel: Der grobe Jahresschnitt von "Viele lieben einfach das Bad in der Menge" Frank Grünert, Organisator 500 000 Rummelgängern sei nur wenig unterschritten worden. Statistisch gesehen ist also fast ganz Nürnberg zu Gast an der Saale gewesen. "Es ist einfach auch das Bad in der Menge, das die Leute so genießen". "Vor allem aber freut mich, dass wir wirklich eine feste Größe sind", sagt er noch. Aus ganz Deutschland schauten Besucher auf Durchreise oder Inlandurlaub vorbei, häufig nicht nur einmal und oft ganz gezielt. "Eine Eisleber Frauengruppe ist zum Beispiel mehrmals nach Rudolstadt gefahren, nur wegen uns - das ist natürlich toll!", freut sich Grünert.
Gibt es ein Leben nach dem Vogelschießen? "Also, der Montag ist schon etwas komisch. Aber es gibt so viel nachzuarbeiten, dass zur Trauer kaum Zeit bleibt". Zumal der Sonntag auch noch ein vollwertiger Festtag sei. "Das zu DDRZeiten geläufige Vor-Abbauen am letzten Tag haben wir untersagt", lacht Grünert: "Bei uns sollen die Besucher bis zum letzten Tag die volle Atmosphäre erleben können".
Zufrieden sind auch Matthias und Gabriele Liebe aus Hamburg, die mit ihrem Schmalzkuchengeschäft zum ersten Mal auf dem Vogelschießen gastierten und liebend gerne wiederkommen wollen. "Erstmal ist es bewundernswert, wie viele Leute trotz der Hitze den Weg zum Festplatz finden" - da habe er anderenorts größere Hitzeempfindlichkeit erlebt. Überhaupt ist er voll des Lobes über das Rudolstädter Feiervolk: "Die sind einfach total nett, sehr entspannt und offen", sagt er. Die Atmosphäre sei familiär: "Wo hast du das schon noch, eine Festleitung mit Herz und Seele, die täglich umhergeht und sich persönlich bei dir erkundigt?", fragt er in sanftem Platt. "In Hamburg auf dem Dom kriegst du deinen Stellplatz zugewiesen und das war‘s...". Und dann sind da noch die Besucher, die das Vogelschießen zu dem machen, was es ist. Wie Familie Müller aus Neustadt/Orla. "Wir lassen es eher gemütlich angehen", verrät Mutti Ramona mit Blick auf die rasanten Fahrgeschäfte. Favorit und Pflichtprogramm für die Großfamilie mit sechs Kindern sei das Riesenrad, für Vater und Sohn der Autoscooter. Und nächstes Jahr definitiv wieder.

 

Quelle: Ostthüringer Zeitung, Zeitung für Rudolstadt und Umgebung,

Robin Kraska, vom 29.08.2016