Die Stadtverwaltung in Rudolstadt während der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Gründung der DDR

Am 13. April 1945 erfolgte die Besetzung des Stadtgebietes von Rudolstadt durch amerikanische Truppen. Die Amerikaner schlugen ihr Hauptquartier in der Weinbergstraße 14, dem späteren Kindergarten "August Frölich", auf.
Thüringen war damals innerhalb von zwei Wochen von den amerikanischen Militäreinheiten förmlich überrannt worden. Eigentlich sollte Thüringen zur sowjetischen Zone gehören. Die Grenzen für die zukünftigen Besatzungszonen in Deutschland hatten die Alliierten für den Fall einer deutschen Kapitulation bereits am 12. September 1944 in einem Abkommen festgelegt. Der Stand der Kampfhandlungen im Frühjahr 1945 hatte jedoch die  vorübergehende Besetzung durch amerikanische Streitkräfte zur Folge. Die Militärverwaltung wurde anfangs durch Frontoffiziere aus den mobilen Kampfeinheiten ausgeübt. Danach übernahmen speziell für die Zivilverwaltungen der besetzten Gebiete ausgebildete Offiziere mit ihren Stäben die Verwaltung.

Als die Amerikaner Rudolstadt besetzten, hatten sich Landrat und Bürgermeister bereits abgesetzt. Es gab keinen Kreistag und keine Gemeindevertretung. Vertretungskörperschaften hatten dem Führerprinzip im Dritten Reich widersprochen. Es gab lediglich Überreste einer Kreisverwaltung mit einer Anzahl alter Beamter und Angestellter, die teilweise schon im Kaiserreich und in der Weimarer Republik gedient hatten. Im Interesse einer funktionierenden Verwaltung wurde deshalb durch die alliierten Streitkräfte das Weiterbestehen der vorhandenen Landes- und Kommunalbehörden vorerst angeordnet. Alle Beamten und Angestellten wurden verpflichtet, bis auf Weiteres auf ihren Posten zu verbleiben und den Befehlen und Anordnungen der Militärregierung Folge zu leisten.

In Rudolstadt wurde als eine der ersten Maßnahmen der Besatzungsmacht der aus der Weimarer Republik bekannte und liberal eingestellte Landrat a. D. Oskar Hertel als Landrat und der Jurist Dr. Heinz Beyer aus der Stadtverwaltung als Bürgermeister eingesetzt.

Erst drei Wochen nach der Besetzung Rudolstadts, am 8. Mai 1945, endete der Zweite Weltkrieg durch die bedingungslose Kapitulation Deutschlands.

Am 18. Mai 1945 wurde Rudolf Zinkel von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt.

Da die amerikanischen Stäbe wussten, dass ihr Aufenthalt in Thüringen lediglich vorübergehend sein würde, blieb die Militärverwaltung in vielerlei Hinsicht provisorisch. Den rechtlichen Rahmen für die Entscheidungen und Anordnungen der örtlichen Militärverwaltungen bildeten damals die von der amerikanischen Militärregierung für Deutschland erlassenen Gesetze und Verordnungen.

Verkehrsbeschränkungen, nächtliche Ausgangssperren, Versammlungsverbot und das Verbot jeglicher Tätigkeit von politischen Parteien und Organisationen prägten die Zeit unter der amerikanischen Besatzung. Private Kontakte mit der deutschen Bevölkerung waren den amerikanischen Militärangehörigen verboten.

Der Besatzungswechsel in Thüringen erfolgte Anfang Juli. Unmittelbar nach dem Abzug der amerikanischen Truppen begann der Einmarsch der sowjetischen Streitkräfte in Thüringen. Am 3. Juli 1945 wurde Rudolstadt von den sowjetischen Truppen besetzt. Von der sowjetischen Besatzungsmacht wurden am 14. Juli 1945 Paul Roth als Landrat und am 18. Juli 1945 Fritz Jahn als Bürgermeister eingesetzt.

Mit dem "Gesetz über die Reinigung der öffentlichen Verwaltung von Nazielementen" vom 23. Juli 1945 begann die "Entnazifizierung" der Verwaltung. In deren Folge wurden allein von der Stadtverwaltung Rudolstadt im Zeitraum von Juli bis November 1945 ca. 90 Beamte und Angestelle aus dem öffentlichen Dienst entlassen.

Zunächst schien die sowjetische Besatzungszone zum Motor eines demokratischen Neuanfangs in Deutschland zu werden. Anders als die amerikanische Besatzungsmacht hatte die Sowjetische Militäradministration Deutschlands (SMAD) bereits am 10. Juni 1945 die Gründung von Parteien und Gewerkschaften in ihrem Hoheitsgebiet zugelassen. Innerhalb weniger Wochen nach Kriegsende hatten sich die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands), die SPD (Sozialdemokrtaische Partei Deutschlands), die CDU (Christlich Demokratische Union) sowie die LDP (Liberal Demokratische Partei) formiert.

Die KPD verzichtete in ihrem Gründungsaufruf auf jegliche revolutionäre Rhetorik. Sie bekannte sich zu "allen Rechten und Freiheiten für das Volk" und trat für die "völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative" ein. Im Gründungsdokument der SPD bekannten sich die Sozialdemokraten für eine "Demokratie in Staat und Gemeinde und Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft". Von der CDU wurde eine christlich-soziale und demokratische Politik verkündet und die LDP knüpfte an die liberalen parteipolitischen Strömungen Weimars an.

Mitte Juli bildeten die Parteien die "Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien". Der Parteienblock - von dem später die Bezeichnung Blockparteien abgeleitet wurde - sollte nach dem Prinzip der Einstimmigkeit eine gemeinsame Politik abstimmen. Angesichts der drängenden Gegenwartsprobleme sowie der verhängnisvollen Zerstrittenheit der demokratischen Kräfte vor 1933 erschien eine solche Zusammenarbeit für Viele nur folgerichtig.

Die Startbedingungen der Parteien waren von Beginn an unterschiedlich. In den letzten Kriegstagen waren von der Sowjetarmee deutsche Kommunisten nach Deutschland eingeflogen worden. Sie sollten die Besatzungsmacht bei der Wiederingangsetzung der Verwaltung und Versorgung unterstützen. Die KPD-Parteispitze und mit ihr tausende deutscher Kommunisten hatten im sowjetischen Exil auf ihren Einsatz nach Kriegsende gewartet.

Wolfgang Leonhard, das jüngste Mitglied der "Gruppe Ulbricht", berichtete später: "Wir sollten in Berlin die Bezirksverwaltungen aufbauen und dazu die geeigneten Antifaschisten auswählen". Dabei hatte die Direktive Walter Ulbrichts gegolten: "Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand halten."

Auf diese Weise gelang es den Kommunisten, wichtige Schlüsselstellungen innerhalb der Verwaltung mit ihren Leuten zu besetzen. Hinzu kam, dass die Besatzungsmacht die KPD auch materiell - zum Beispiel mit Papier für Zeitungen und Flugblätter usw. - bevorzugte.

Innerhalb der Mitgliedschaft von SPD und KPD gab es bereits im Sommer 1945 Bestrebungen, sich zu einer Partei zusammen zu schließen. Doch die KPD-Führung lehnte ein entsprechendes Angebot der SPD Ende Juni 1945 vorerst ab. Die aus dem Moskauer Exil heimgekehrten Parteiführer waren zwar mit einer engeren Zusammenarbeit einverstanden, wollten aber zunächst die eigene Partei wieder aufbauen.

Im Herbst 1945 bahnte sich eine grundlegende Veränderung im Parteiensystem an. Seit September trat die KPD-Führung plötzlich für eine rasche Vereinigung von SPD und KPD ein. Zwar war es der KPD in der Zwischenzeit gelungen, ihren Parteiapparat auszubauen, sie musste jedoch feststellen, dass sie nicht über den erwarteten Rückhalt innerhalb der Bevölkerung verfügte.

Die SPD reagierte uneinheitlich auf die KPD-Initiative. Das Bekenntnis der KPD zur Demokratie schien frühere Gegensätze verwischt zu haben. Viele Sozialdemokraten glaubten, dass sie aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit und ihrem Ansehen innerhalb der Bevölkerung in der gemeinsamen Partei den Ton angeben würden.

Wenige Tage vor dem Weihnachtsfest 1945 gab deshalb die SPD-Führung dem massiven Druck der Sowjetischen Militäradministration und der KPD nach. Mit der These vom "besonderen deutschen" und "demokratischen" Weg zum Sozialismus war die KPD den Sozialdemokraten noch einmal ideologisch entgegengekommen.

In Rudolstadt fand am 22. Dezember 1945 eine erste gemeinsame Sitzung von KPD-Kreisleitung und SPD-Kreisvorstand statt, auf der man sich grundsätzlich für eine Vereinigung aussprach und eine sehr enge Zusammenarbeit vereinbarte. Am 13. April 1946 fand dann in Rudolstadt der Zusammenschluss beider Parteien zur SED statt.

Noch schien der Weg der SED zur späteren Staatspartei nach stalinistischem Modell nicht zwingend vorgezeichnet. Viele zentrale Funktionen waren in der neuen Partei mit ehemaligen Kommunisten und Sozialdemokraten paritätisch besetzt.
Am 8. September 1946 fanden die ersten Wahlen nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Es waren gleichzeitig die vorläufig letzten, bei denen es sich um freie, gleiche und geheime Wahlen handelte.

Zusammensetzung des Stadtrats nach der Wahl am 8. September 1946 (30 Sitze gesamt)

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED): 13
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU): 10
Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LPD): 7

Die Gemeindevertretung der Stadt Rudolstadt tagte am 9. Oktober 1946 zum ersten Mal. Außer der Wahl des Vorsitzenden der Gemeindevertretung, des Bürgermeisters sowie der drei Beigeordneten erfolgte die Wahl eines Haupt-, Personal-, Wohnungs-, Ernährungs-, Bau- und Wohlfahrtsausschusses.

Am 12. Mai 1947 wurde Gustav Hartmann zum Bürgermeister gewählt. Er war ein Gegner der Vereinigung von SPD und KPD gewesen und pflegte deshalb auch weiterhin den Kontakt zur SPD in den westlichen Besatzungszonen sowie dem damals führenden SPD-Politiker Kurt Schumacher.

In seiner Antrittsrede vor dem Stadtrat betonte er ausdrücklich, mit allen Mitgliedern des Stadtrats, unabhängig von der jeweiligen Parteizugehörigkeit, zum Wohle der Stadt zusammenarbeiten zu wollen, um die große Not und die vielfältigen Probleme lösen zu können.

Wahrscheinlich war Gustav Hartmann durch seine Kontakte zur SPD in den westlichen Besatzungszonen der SED-Führung unbequem geworden oder auch einigen Personen im Wege. Am 18. Februar 1949 wurde er während einer Schulungsveranstaltung in Bad Blankenburg verhaftet und in das NKWD-Untersuchungsgefängnis nach Weimar verbracht.
Ein halbes Jahr später, am 26. Juli 1949 wurde er vom Militärtribunal der Sowjetischen Militäradministration des Landes Thüringen wegen "Spionage, antisowjetischer Propaganda und illegaler Gruppenarbeit" zu 25 Jahren Freiheitsentzug in einem Arbeits- und Besserungslager und zum Einzug des privaten Vermögens verurteilt.

Zwang und Repressalien gehörten seit Kriegsende zur politischen Realität. Unmittelbar nach Kriegsende hatte die sowjetische Siegermacht in ihrer Besatzungszone zehn sogenannte "Speziallager" errichtet, in denen nationalsozialistische Kriegsverbrecher und deren Handlanger interniert werden sollten.

Inzwischen veröffentlichte sowjetische Archivdokumente belegen, dass in den Lagern bis zu ihrer Auflösung im Jahre 1950 ca. 120.000 Deutsche einsaßen. Nach offiziellen Angaben verstarben ein Drittel davon - also 40.000 - noch während der Haft.

Die Verhaftungen erfolgten zunehmend willkürlich. Von den Internierten waren die wenigsten NS-Verbrecher, da diese in der Regel abgeurteilt und in Gefängnisse in Deutschland oder in die Sowjetunion verbracht wurden. So kam es, dass sich die Lager zunächst mit zahlreichen Opfern von Denunziationen füllten. Mehr und mehr fanden sich auch Anhänger der bürgerlichen Parteien, oppositionelle Sozialdemokraten und sogar Kommunisten, die nicht bereit gewesen waren, sich der Parteilinie unterzuordnen, hinter Stacheldraht wieder.

Damals wurden zahlreiche unschuldige Menschen aus allen Kreisen der Bevölkerung auf Veranlassung führender SED-Mitglieder durch die sowjetischen Behörden verhaftet. Um unerwünschte Personen zu entfernen, waren der damaligen SED-Führung offenbar alle Mittel recht. Man ging förmlich über Leichen. Es wurden Vorwürfe konstruiert, die sich für eine Verurteilung zu langjährigen Haftstrafen durch die sowjetischen Behörden eigneten.

Solche Vorwürfe waren zum Beispiel: "illegale Gruppenbildung", "antisowjetische Propaganda",  "politische Spionage" und "konterrevolutionäre Tätigkeit". Die betreffenden Personen wurden dann bei den sowjetischen Behörden angezeigt. Durch SED-Spitzel wurden falsche Zeugenaussagen zu Protokoll gegeben. Das Weitere erledigte dann das NKWD der sowjetischen Militäradministration.

Gustav Hartmann musste unsägliches Leid erdulden und ist am 25. Juli 1950 - eine Woche nach seinem 34. Geburtstag - im Zuchthaus Bautzen an den Folgen der Haft verstorben.