Die Kooperation von Saalfeld, Rudolstadt und Bad Blankenburg jährt sich zum 20. Mal
Kleinere Städte und Gemeinden zu größeren Einheiten zusammenzuschließen, um leistungsstarke Gebietskörperschaften zu schaffen, ist ein aktuelles Anliegen der Thüringer Landesregierung im Rahmen der anstehenden Gemeindegebietsreform. Ein Anliegen, das überaus kritisch diskutiert wird. Dass auch ohne eine Fusion viel erreicht werden kann, zeigt die Kooperation der Städte Saalfeld, Rudolstadt und Bad Blankenburg. Vor 20 Jahren, am 21. März 1997 unterschrieben die damaligen Stadtoberhäupter, die Bürgermeister Richard Beetz, Dr. Hartmut Franz und Michael Pabst, auf der Burg Greifenstein die Vereinbarung über einen Zusammenschluss zum Städteverbund "Städtedreieck am Saalebogen" und legten damit den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält.
Not macht erfinderisch.
Die Entstehung des Städteverbundes ist eng mit dem Strukturbruch nach der Wende verbunden. Bis zur Wende wurde die Region wirtschaftlich im Wesentlichen durch das Chemiefaserkombinat in Rudolstadt-Schwarza, das Kombinat "Carl Zeiss" in Saalfeld und das Stahlwerk "Maxhütte" in Unterwellenborn sowie das Transportgummiwerk in Bad Blankenburg geprägt. Vom Wegbrechen ganzer Industriezweige nach der Wende waren auch diese Standorte betroffen, sodass Flächen in erheblichem Umfang brach fielen, Arbeitsplätze verloren gingen und Bevölkerungsverluste eintraten. Die gleichgelagerte Problemstellung, die unmittelbare Nachbarschaft sowie die Erkenntnis, bei Problemlösungen jeweils um vergleichbare Projekte, Fördermittel und Investoren zu konkurrieren, begründeten die Idee einer kommunalen Zusammenarbeit. An deren Anfang stand zunächst die Erstellung eines Regionalen Entwicklungskonzeptes (REK), das 1995 in Auftrag gegeben wurde und dessen Ergebnisse 1996 vorlagen. Damit war der Grundstein gelegt, die Zusammenarbeit der drei Städte verbindlich zu regeln. Am 21. März 1997 unterzeichneten die damaligen Bürgermeister Richard Beetz, Dr. Hartmut Franz und Michael Pabst einen öffentlich-rechtlichen Vertrag und gaben dem Städteverbund den Namen "Städtedreieck am Saalebogen".
Zunächst stand eine integrierte Standortentwicklung auf brachgefallenen Flächen im Vordergrund. In enger Zusammenarbeit mit der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen stellten sich schnell Erfolge ein. Der ehemalige Standort des Chemiefaserkombinats in Rudolstadt konnte einer industriellen Nachnutzung im Bereich "Faser- und Polymer-Chemie, nachwachsende Rohstoffe" zugeführt werden. Auf 108 ha sind heute mehr als 50 Betriebe mit rund 2.000 Arbeitsplätzen ansässig. Der ehemals militärisch genutzte Standort in Rudolstadt-Schaala konnte einer gemischten baulichen Nutzung zugeführt werden. Auf 22 ha befinden sich heute ein Wohnpark, Einzelhandelseinrichtungen sowie kleinere Gewerbebetriebe. In Saalfeld haben sich auf dem Gelände des ehemaligen Carl-Zeiss-Kombinates mit der EPSa und Trumpf Medical Unternehmen des Hochtechnologiebereiches mit insgesamt rund 650 Beschäftigten fest etabliert. Traditionsreiche mittelständische Unternehmen, wie das Thüringer Schokoladenwerk (rund 400 Beschäftige), die Samag (rund 400 Beschäftigte) und der Hebezeugbau (rund 130 Beschäftige) konnten sich wirtschaftlich stabilisieren und weiterentwickeln. Der ehemals militärisch genutzte Standort in Saalfeld-Beulwitz konnte einer gemischten baulichen Nutzung zugeführt werden. Auf 35 ha haben verschiedene Dienstleistungsunternehmen ihren Sitz gefunden, ehemalige Kasernengebäude wurden zu Wohngebäuden umgebaut. Ebenso ist der Geraer Bahnbogen planungsrechtlich um 23 ha Industriefläche erweitert worden. Dies ist Teil der Sicherung und Entwicklung von Arbeitsplätzen der gewerblichen Altstandorte. Ansässig sind zwischenzeitlich 14 Betriebe mit rund 300 Arbeitsplätzen. Nicht zuletzt konnten auf dem infrastrukturell inzwischen neu erschlossenen Altstandort in Blankenburg-Ost auf einer Fläche von 35 ha mehr als 20 Betriebe mit über 1.000 Arbeitsplätzen angesiedelt werden.
Erfolg schweißt zusammen.
Ein Rad im erfolgreichen Getriebe der interkommunalen Kooperation war die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen. "Zum einen hat die LEG über Jahre hinweg durch gezielte Investitionen in die abgestimmte Standortentwicklung einen erheblichen Beitrag zur Stärkung der Wirtschaftsstruktur im Städteverbund leisten können. Und zum anderen hat das externe, neutrale Management der interkommunalen Kooperation durch die LEG die drei Städte immer mehr zusammengeschweißt", so Frank Krätzschmar, seit 1997 Geschäftsführer der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen.
Begleitet durch die LEG konnte Ende der 90er Jahre erreicht werden, dass der Städteverbund als einzige interkommunale Kooperation in die Thüringer Innenstadtinitiative aufgenommen wurde, in der Leitprojekte der Stadtsanierung vorrangig und unter Absenkung des Mitleistungsanteils der Städte gefördert wurden. Diese günstigen Finanzierungsmöglichkeiten einerseits und eine einvernehmliche Standortfestlegung nach dem Prinzip der Funktionsteilung andererseits haben Projekte wie den Neubau des Saalemaxx in Rudolstadt 2001 und die Sanierung der Stadthalle in Bad Blankenburg 2002 ermöglicht. Auch die Umgestaltung des Bahnhofsbereichs in Saalfeld zum zentralen Knotenpunkt des ÖPNV im Städteverbund konnte erreicht werden. Als Folge der erfolgreichen Zusammenarbeit wies die Thüringer Landesregierung erstmals im Landesentwicklungsplan 2004 die drei Städte gemeinsam als funktionsteiliges Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums aus.
Anerkennung erhielt die Kooperation der drei Städte aber auch auf nationaler Ebene. 2006 lobte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung unter dem damaligen Bundesminister Wolfgang Tiefensee den Wettbewerb "kommKOOP" aus, um erfolgreiche interkommunale Kooperationen in Deutschland ausfindig zu machen. Eine mit national anerkannten Fachleuten besetzte Jury wählte letztlich das Städtedreieck am Saalebogen als Preisträger aus. Das Jahr 2006 war aber auch aus einem anderen Grund von Bedeutung, denn mit den Bürgermeisterwahlen kamen im Sommer in allen drei Rathäusern neue Stadtoberhäupter ins Amt: Matthias Graul in Saalfeld, Jörg Reichl in Rudolstadt und Frank Persike in Bad Blankenburg.
Neue Besen kehren gut.
Das Terrain jedenfalls, der Städteverbund, war bereitet, um weitere Projekte gemeinsam auf den Weg zu bringen. Ein erstes Augenmerk der neuen Bürgermeister galt einer stärkeren Einbeziehung der Kommunalpolitik. Pünktlich zum 10-Jahres-Jubiläum des Städteverbundes im Frühjahr 2007 wurde der Kooperationsvertrag erweitert und die Einrichtung eines gemeinsamen Ausschusses vereinbart. Am 15. Mai 2007 kam der Gemeinsame Ausschuss zur konstituierenden Sitzung zusammen und tagt seitdem regelmäßig, um die anstehenden Projekte kommunalpolitisch zu bewerten und zu begleiten.
Weitere Aktivitäten folgten: So wurde 2007 zusammen mit dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt die Wirtschaftsförderagentur (WIFAG) gegründet, die ihren Sitz im Innovations- und Gründerzentrum (IGZ) in Rudolstadt hat und die Interessen der Region in Fragen der Wirtschaftsförderung bündelt und nach außen gemeinsam vertritt. 2008 wurde beschlossen, einen gemeinsamen Neujahrsempfang auszurichten, sodass - erstmals am 10.01.2009 - das Neue Jahr im Städtedreieck jeweils mit einem gemeinsamen Empfang in der Stadthalle in Bad Blankenburg eingeläutet wird. "Ein Event im Übrigen, das sich wachsender Beliebtheit erfreut", berichtet Frank Persike, Bürgermeister der Kurstadt. "Am letzten Neujahrsempfang im Januar haben mehr als 500 Gäste teilgenommen, so viele wie noch nie zuvor." Dem Neujahrsempfang vorgeschaltet ist jeweils ein Bilanz-Pressegespräch, in dem die drei Bürgermeister über die gemeinsamen Aktivitäten im Vorjahr Bericht erstatten.
Seit Oktober 2010 präsentieren alle drei Städte jedes Jahr gemeinsam bedeutende regionale Gewerbe- und Immobilienstandorte aus der Region auf der ExpoReal in München, der weltweit größten Immobilienmesse. Und nicht zuletzt wurden die verschiedenen Aktivitäten der drei Städte in Sachen "Berufswahl" zusammengelegt, seit September 2013 findet in der Stadthalle in Bad Blankenburg jährlich unter Federführung der WIFAG die gemeinsame Berufsinformations-, Ausbildungs- und Fachkräfte-Messe "InKontakt" statt. Das Interesse an dieser Veranstaltung ist inzwischen so groß, dass die Kapazität der Stadthalle in Bad Blankenburg an ihre Grenzen stößt: Auf der letzten Messe im September 2016 waren über 100 Aussteller beteiligt, die mehr als 2.000 Ausbildungsplätze und Jobs, fast ebenso viele Studienplätze und schulische Ausbildungsplätze sowie viele Praktikumsplätze vorgestellt haben.
Gelegentlich war gutachterliche Unterstützung notwendig, um eine gemeinsame Position zu finden. Das jedenfalls trifft auf die über Jahre kontrovers diskutierten Einzelhandelsstandorte im Städteverbund zu. Ende 2008 wurde ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis, die gemeinsame Einzelhandelskonzeption, im Februar 2010 vorlag. Diese Konzeption war über Jahre hinweg Grundlage für eine einvernehmliche Entwicklung von Einzelhandelsstandorten in der Region.
Ein weiterer Meilenstein der interkommunalen Kooperation war das Einwerben eines Regionalbudgets. Das Thüringer Wirtschaftsministerium hatte im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" die Bereitstellung eines Regionalbudgets ermöglicht. Der Städteverbund bewarb sich mit interessanten Projekten um dieses Budget und erhielt im Juli 2010 tatsächlich - als einzige Städtekooperation in Thüringen - einen Zuwendungsbescheid. "Innerhalb von sechs Jahren konnten so insgesamt 27 Projekte insbesondere aus dem Bereich Tourismus mit einer Zuwendung in Höhe von insgesamt 1,8 Mio. Euro auf den Weg gebracht werden. Dazu gehörten unter anderem der Ausbau des Walderlebnispfades in Saalfeld und des Radweges auf dem Saaldamm in Rudolstadt oder die touristische Erschließung des Brunnens auf der Burg Greifenstein in Bad Blankenburg", bilanziert Jörg Reichl, Bürgermeister der Stadt Rudolstadt, nicht ohne Stolz.
Zur Routine sind inzwischen gemeinsame Stellungnahmen zu raumbedeutsamen Maßnahmen geworden. Nach dem Motto, gemeinsam erreichen wir mehr, werden im Entscheidungsgremium, dem Rat der Bürgermeister, regelmäßig Stellungnahmen zur aktuellen Vorhaben der Landes- und Regionalplanung oder zum Bundesverkehrswegeplan abgestimmt und anschließend versehen mit den Unterschriften aller drei Bürgermeister an die zuständigen Stellen versandt. Das gilt aktuell auch für die geplante Gebietsreform der Thüringer Landesregierung. Einig sind sich alle drei Bürgermeister, dass die zentralörtliche Funktion des Städteverbundes gestärkt wird und die Kreisstadtfunktion im Städteverbund verbleibt.
Stetig verbessert hat sich in den letzten Jahren die Zusammenarbeit der drei Städte im Bereich Tourismus. Inzwischen tagt eine Arbeitsgruppe, der die Tourismusverantwortlichen aus den drei Städten angehören, regelmäßig und stimmt Aktivitäten miteinander ab. Ein Ergebnis dieser Arbeitsgruppentätigkeit wird nachhaltig in Erinnerung bleiben. 2012 wurde vor allem auch aus touristischen Vermarktungsgründen der in die Jahre gekommene Name des Städteverbundes, Städtedreieck am Saalebogen, hinterfragt und nach eingehender Diskussion verschiedener, auch exotisch klingender Varianten vorgeschlagen, künftig unter dem Begriff DREIKLANG zu firmieren. Dieser Vorschlag überzeugte, und so wurde aus dem Städtedreieck der Dreiklang.
Was lange währt, wird (hoffentlich) endlich gut.
Durch die erfolgreiche Kooperation gestärkt, traut sich der Städteverbund inzwischen auch zu, dicke Bretter zu bohren. Ein solches dickes Brett ist die gemeinsame Ausrichtung einer Landesgartenschau. Erste Ideen, sich um die Ausrichtung einer Landesgartenschau gemeinsam zu bewerben, wurden 2015 im Gemeinsamen Ausschuss beraten. Es folgten zahlreiche Diskussionen in Ausschüssen und Stadtratssitzungen, in denen Pro und Kontra sorgfältig abgewogen wurden. "Die Bedeutung dieses Projektes kommt alleine schon dadurch zum Ausdruck, dass sich Ende Februar erstmals in der Geschichte des Städteverbundes alle drei Stadträte zu einer gemeinsamen Sitzung trafen", so Matthias Graul, Bürgermeister der Stadt Saalfeld und aktuell Sprecher des Städteverbundes.
Am Ende des langen, über zwei Jahre dauernden Diskussionsprozesse stand im März dann eine klare Entscheidung aller drei Stadträte: Auf der Grundlage der von der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen zusammen mit dem Büro RoosGrünPlanung erarbeiteten Konzeption werden sich die drei Städte um die gemeinsame Ausrichtung der 5. Thüringer Landesgartenschau im Jahr 2024 bewerben. Sofern der Städteverbund den Zuschlag erhält, sollen in den nächsten Jahren insgesamt über 50 Mio. Euro in eine nachhaltige Entwicklung des Dreiklangs fließen und, so die Hoffnung der Verantwortlichen, die Lebensqualität und die touristische Attraktivität der drei Städte spürbar verbessern. Bleibt zu hoffen, dass im September die Entscheidung zugunsten der gemeinsamen Bewerbung des Städteverbundes getroffen wird.