In Erinnerung an den 100. Todestag des Komponisten Rudolf Herzer
Die Spatzen pfeifen ihn von den Dächern, er gehört zum Repertoire eines jeden Blas-, Militär- oder sonstigen Orchesters und das weltweit von Korea bis Venezuela, von Kapstadt bis Berlin - der Marsch "Hoch Heidecksburg".
Wenn die Thüringer Symphoniker Gastspiele geben, ist er das Sahnehäubchen zum Schluss und es geht nie ohne Zugabe ab. Zum Münchner Oktoberfest wird er von mehr als 250 Musikern gespielt. Bei dieser Klangfülle bekommt man Gänsehaut.
Für den ursprünglich für Klavier komponierten Marsch wurden immer wieder Texte ersonnen, aber "Hoch Heidecksburg" brauchte keinen Text, um Weltruhm zu erlangen. Dieser war dem jungen Komponisten Rudolf Herzer leider nicht beschieden. Geboren wurde er am 22. November 1878 in Rottleben, das damals zur Schwarzburg-Rudolstädter Unterherrschaft gehörte. 1894 erfolgte der Umzug der Familie Herzer in die Heimatstadt der Vorfahren, nach Rudolstadt.
Der mündlichen Überlieferung nach war Rudolf Herzer Musikmeister beim III. Batallion des Infanterieregiments 96 in Rudolstadt. Bei einem Manöver auf dem Zeigerheimer Berg in Volkstedt soll er im Jahre 1912 Teile des Marsches "Hoch Heidecksburg" vorgetragen haben, den er zu Ehren der Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt komponiert hatte.
Nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst verzog er 1913 nach Berlin. Dort verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Musiker in der Kapelle des "Café Equitable" in der Friedrichstrasse. Bereits ein Jahr später - 1914 - zog er in den Krieg und wurde eines seiner ersten Opfer. Am 20. Oktober erlag er in Allstein in Ostpreußen seinen schweren Verwundungen.
Auf Wunsch seines Vaters wurde er nach Berlin überführt und auf dem dortigen Garnisonsfriedhof beigesetzt, wo sein Grab heute noch zu finden ist. Noch kurz vor seinem Tod findet Herzer in Benno Goldfeder, Inhaber des Philharmonischen Verlags Berlin, einen Verleger für sein Werk Opus 10 "Hoch Heidecksburg". Diesem tritt er nicht nur die Urheberrechte ab, auch soll er den Druck mitfinanzieren und einzelne Arrangements anfertigen.
Zu letzterem kam es allerdings nicht mehr. Nach einem lang anhaltenden Rechtsstreit zwischen dem Verleger Benno Goldfeder und Herzers Eltern, in den sich auch die städtische Rechtsauskunftsstelle der Oberherrschaft des Fürstentums Schwarzuburg-Rudolstadt zur Unterstützung der Familie einschaltete, erhielten diese im Jahr 1917 eine einmalige Abfindungssumme in Höhe von 75 Mark unter der Bedingung, dass damit keinerlei weitere Ansprüche mehr bestehen.
Auf dem Deckblatt für die Klavierausgabe von 1914 ist eine Fantasieburg zu sehen. Das mag daran liegen, dass Goldfeder, der die Heidecksburg nicht kannte, sich nie der Mühe unterzog entsprechendes Bildmaterial zu beschaffen.
Somit wurde der Marsch, der mit "The Watch Tower" ins Englische übersetzt wurde, nur selten mit Rudolstadt in Verbindung gebracht.
Zu Beginn der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts kam der Marsch "Hoch Heidecksburg" zu besonderen Ehren. Angeblich wurde er, in Ermanglung einer Bundesdeutschen Nationalhymne, zu offiziellen Staatsempfängen Konrad Adenauers in Chicago und in Teheran gespielt. Darüber fehlt jedoch jegliche Dokumentation und er wurde zu keiner Zeit als Ersatznationalhymne gehandelt. Zwei weitere Kompositionen von Herzer sind bekannt, werden jedoch überaus selten gespielt: "Rudolfsklänge" und "Mein letzter Gruß".
Im Rahmen einer Festveranstaltung im Rudolstädter Theater anlässlich des 125. Geburtstages Herzers im November 2003 spielten die Thüringer Symphoniker alle drei überlieferten Kompositionen.
Mit seinem Marsch "Hoch Heidecksburg" hat Rudolf Herzer der Stadt Rudolstadt
ein unvergängliches Geschenk gemacht. Den Siegeszug seines Meisterstücks in alle Welt hat er leider nicht miterleben können. Es hätte ihn sicher mit Stolz erfüllt.
Sabine Christophersen